Der europäische Bison oder Wisent (Bison bonasus) ist der größte Herbivore in Europa und war einst in vielen Gebieten mit Laub- und Nadelwäldern und offenen Graslandschaften zu finden. Aber bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war er auf Grund von Habitat-Zerstörung und -fragmentierung, Entwaldung und Bejagung in der Wildnis ausgestorben. Die letzten Wisente lebten nach dem ersten Weltkrieg in Zoos. Ihre Anzahl betrug 54 Tiere, die alle von insgesamt 12 Gründertieren abstammten. Daher wurde 1923 die Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents in Frankfurt am Main gegründet. Diese initiierte das European Bison Pedigree Book (EBPB). Ihr ursprüngliches Ziel war das die Registrierung aller reinrassigen Wisente in Gefangenschaft und eine Aufteilung dieser in genetische Abstammungslinien. Elf Gründertiere gehörten zur Lowland-Linie und eines zur Kaukasus-Linie. Die dritte Linie aus den Karpaten war bereits vollständig ausgestorben. 1907 wurde ein letzter Kaukasischer Bulle in der Wildnis gefangen und mit Kühen aus der Lowland-Linie verpaart. Daher gibt es bis heute zwei voneinander getrennte Zuchtlinien: die Lowland-Linie, die vor allem in den Zoos und Reservaten in Polen und Weißrussland gehalten wird und die Lowland-Caucasian-Linie im übrigen Europa. Bis 1952 lag das Hauptaugenmerk auf der schnellen Zunahme an Tieren, ohne dabei besonderen Wert auf die genetische Gesundheit der Tiere zu legen. In den darauffolgenden Jahren wurden die ersten autarken Populationen ausgesetzt und man bemühte sich mehr, diese auch genetisch lebensfähig aufzustellen.
Zwei Wisente in der Döberitzer Heide
Heute gibt es weltweit mehr als 5000 Wisente in rund 200 Einrichtungen (EBPB, 2014). Die größte Bedrohung für die Erhaltung der Art geht heutzutage von dem begrenzten Lebensraum und den Effekten des geringen Genpools aus. Für einen so großen Herbivoren ist es schwierig, im dichtbevölkerten Europa einen geeigneten Lebensraum zu finden. Es existieren nur wenige Gebiete, in denen Wisente frei leben können und diese sind meistens nicht miteinander verbunden. Die daraus resultierende Fragmentierung und Isolation gefährden den schon geringen Genpool zusätzlich. Die Y-Chromosome von zwei Gründertieren sind bereits vollständig verloren
gegangen. Wisente sind des Weiteren anfällig für Krankheiten. Die Maul- und Klauenseuche, Tuberkulose und die Blanoposthitis, eine Infektion der männlichen Geschlechtsorgane, sind typisch für diese Art. Wisente sind also nicht vor dem Aussterben gerettet, sondern benötigen einen gut durchdachten Managementplan.
Seit 2010 lebt eine Wisentpopulation in einem Semi-Reservat, das von der Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide geleitet wird. Die Stiftung arbeitet seit Kurzem zusammen mit der Abteilung für evolutionäre Ökologie des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Namensgeber Heinz Sielmann war ein bekannter deutscher Biologe und Tierfilmer, dessen Filme als erste ihrer Art in Deutschland ausgestrahlt wurden. 1994 gründete er zusammen mit seiner Frau die Stiftung, um die Natur in Deutschland durch Umweltbildung, Öffentlichkeitsarbeit und Naturschutzparks zu erhalten und zu schützen.
Studentin Wildlifemanagement
VHL University of Applied Sciences
www.vhluniversity.de
PAP: Ausgabe 16